So muss das aussehen, wenn man ein Gänseliesel ist. Man geht vorneweg und alle Tiere kommen im sprichwörtlichen Gänsemarsch hinterher.
Bei der Tochter klappt das prima. Zwar muss die eine oder andere Gans zwischendurch mal kurz kosten, wie so ein Stück Schnur schmeckt...
...doch wenn es abends in den Stall geht, sind alle ganz brav und folgen der Tochter.
Gestern nun waren die Kinder zum Geburtstag geladen und der gute Gatte und ich hatten Hofdienst. Zum Abend verzog sich der gute Gatte in den Wald. Da hatte dann nur noch ich Hofdienst.
Ich schaff' das schon, dachte ich so bei mir. Ist ja alles ganz leicht. Hatte es ja schon unzählige Male bei der Tochter beobachtet.
Als die Sonne hinterm Wald am Dorfrand versank, machte ich mich auf, die Gänse nach Hause zu holen.
Ich liebe diese Viecher ja. Es sind so nette Tiere. Stundenlang kann ich zwischen ihnen sitzen und einfach nur zuschauen wie sie fressen, wie sie trinken, wie sie in den Wasserschüsseln planschen. Aber gestern konnte ich sie zwischendurch mal gar nicht mehr leiden.
Als ich zur Gänsewiese kam, warteten sie schon. Kaum war das Gatter offen, düsten sie los. Laut schnatternd und flügelschlagend rannten sie Richtung Hof - rum um die Ecke und weg waren sie. Ich kam gar nicht so schnell hinterher.
Vorsichtshalber hatte ich alle Gatter offen gelassen und da die Gänse
wissen, dass im kleinen Garten hinterm Haus noch ein Nachtmahl auf sie
wartet, waren sie brav um den Futtertrog versammelt.
Schnell durchgezählt. Hurra, keine war abhanden gekommen.
Aber bis zum Futtertrog ist es nur die halbe Strecke. Von dort müssen sie noch durch einen Durchgangsstall, über den Hof und dann erst sind sie im Bett. Das ist vielleicht nicht der einfachste Weg, auf jeden Fall aber der stressfreiere, denn so treffen sie nicht mit den Hühnern zusammen. Die Gänse fühlen sich inzwischen nämlich als die großen Chefs hier auf dem Hof. Selbst die Hunde verschwinden freiwillig im Haus, wenn die Schar über den Hof kommt.
Als der Futtertrog leer, noch ein wenig Gras gefressen und ausreichend Wasser getrunken war, wollte ich sie dann endlich in ihren Stall treiben. Alle Türen waren geöffnet. Es konnte losgehen.
Die Gänse sahen das anders.
Seltsame, unbekannte Dinge langen da im Garten. Die mussten erst einmal gründlich untersucht werden. Na gut, ließ ich sie halt noch ein wenig an den Dachrinnen nagen.
Doch dann sollte endlich Schluss sein.
Gänse gerufen. Gänse kamen nicht.
Gänse getrieben. Alle Gänse liefen an der offenen Tür vorbei in die andere Hälfte des Gartens.
Gänse wieder zurück Richtung Tür getrieben. Gänse liefen wieder daran vorbei. Schnatterten aufgeregt und stürzten sich auf die Bauplane, die sie bis dahin noch gar nicht entdeckt hatten.
Wieder habe ich sie eine Weile gewähren lassen. Irgendwann mussten sie doch mal müde werden, vielleicht sogar ganz von alleine in ihren Stall laufen.
Ich wartete und wartete. Rief sie. Lockte sie. Aber sie wollten einfach nicht schlafen gehen.
Sie noch einmal zur Tür zu treiben, versuchte ich gar nicht mehr, da ich sicher war, dass sie sowieso wieder daran vorbei und in den Teil des Gartens laufen würden, in dem die Rosen stehen. Und von dort wollte ich sie unbedingt fernhalten, damit es den jungen Knospen nicht so ergeht, wie es dem Dachwurz erging. Der ist nämlich komplett weggefressen.
Ich sah mich schon bis in die Nacht hinein mit den Gänsen im Garten hocken, bis die Tochter kommen, einmal rufen und die Gänse endlich in ihren Stall verfrachten würde. Darauf hatte ich aber so gar keine Lust.
Wäre der gute Gatte dagewesen, hätte er den Weg an der Tür vorbei versperren können. Allein schaffte ich das nicht. Zumindest nicht einfach so, denn ich konnte ja nicht gleichzeitig vor und hinter den Gänsen sein. Wollte ich nicht noch Stunden hier sitzen, musste ich ganz schnell wachsen, bis auf das Maß von zwei Menschen.
Ja, na klar. War doch ganz einfach. Und warum, bitte, war ich da nicht gleich draufgekommen?
Ich griff mir einen Besen und ein langes Wasserrohr. Damit konnte ich meine Armspanne auf gut vier Meter verlängern und so war es dann ganz leicht. Ratz, fatz waren die Gänse im Stall. Sie schnatterten noch ein wenig müde vor sich hin und dann schliefen sie ein. Eine nach der anderen.
Ach, Gänse sind doch wirklich ganz reizende Tiere. Ich liebe sie. Nun wieder.
Habt alle ein feines Wochenende
Lieben Gruß
Katala
P.S.: Den Abendhimmel schicke ich zur
Raumfee. Dort werden samstags Himmelsbilder gesammelt.